Verborgene Geschichten – Damals und Heute

Kunstwerk Ausschnitt im HG
September 18, 2024

In einer Welt, in der strukturelle Perfektion und makellose Oberflächen oft idealisiert werden, finde ich meine Inspiration in den abgelegenen und oft vergessenen Ecken unserer urbanen Landschaften. Als Fotografin zieht es mich zu den sogenannten „Lost Places“, jenen verlassenen Orten, die sowohl Verfall als auch die vergessenen Geschichten in ihren Wänden tragen. Jede verrottete Tür und jeder bröckelnde Putz erzählt eine Geschichte, die darauf wartet, wiederentdeckt zu werden - Geschichten von Menschen, die einst diese Räume bewohnten, oder dort arbeiteten, von deren Träumen und alltäglichen Kämpfen.

Das erste, was mich an diesen Orten fasziniert, ist die stille Poesie des Verfalls. Die Natur, die sich langsam das zurückholt, was der Mensch einst geschaffen hat; das sanfte Licht, das durch zerbrochene Fenster einfällt und den Staub in der Luft tanzen lässt - all das hält eine stille, melancholische Schönheit fest.

Inmitten dieses melancholischen Verfalls finde ich immer wieder bunte Graffiti. Diese oft ungenehmigten Kunstwerke sind für mich lebendige Zeugen der Gegenwart, die auf die vergangene Zeit treffen. Die kräftigen Farben und kreativen Formen stehen im starken Kontrast zu den blassen, abgeplatzten Wänden. Diese Graffiti sind nicht einfach nur Schmierereien, sie sind spontane, künstlerische Äußerungen, die auf ihre Weise Geschichten erzählen. Geschichten von Protest, von Liebe, von Ärger und Hoffnung. Sie erwecken die toten Strukturen zu neuem Leben und schaffen eine Verbindung zwischen Vergangenheit und Gegenwart.

Es gibt ein tiefes Gefühl der Ehrfurcht und Verantwortung, das ich empfinde, wenn ich an solchen Orten fotografiere. Ich dokumentiere nicht nur den Verfall, ich hüte auch die Geschichten, die diese Mauern flüstern. Jedes Bild ist ein Zeuge der Zeit, eine Mischung aus gelebtem Leben und künstlerischer Vision.

Meine Arbeit in "Lost Places" verbindet die Trostlosigkeit des Verfalls mit der Vitalität des urbanen Ausdrucks. Es ist eine Hommage an das, was war, und gleichzeitig ein Zeugnis dessen, was ist. Jedes Foto öffnet ein Fenster in eine andere Zeit, während es auch das stille Fortbestehen der Kunst inmitten des Zerfalls feiert.